Habt ihr schon einmal von Kreta gehört, der Insel ganz im Süden Griechenlands? Wenn ja, wusstet ihr, dass auch diese Insel einst ein Emirat war? Heutzutage gibt es dort nicht mehr viel zu sehen, was auf die andalusische Periode von 711 bis 1492 schließen lässt, sondern, wenn überhaupt, eher Dinge, die osmanischen Ursprungs sind, wie z. B. einige Moscheen, Minarette und Madrasas, die heute noch über die ganze Insel hinweg vorzufinden sind.
Kreta hat jedoch bereits im 8. Jahrhundert Muslime zu Gesicht zu bekommen, und zwar die Umayyaden in der Zeit zwischen 705 und 715. Uns interessiert jetzt aber vor allem die Zeit danach, wobei die byzantinischen und muslimischen Quellen, was den Zeitpunkt betrifft, um ein paar Jahre voneinander abweichen. Die Periode, in der die Muslime Kreta beheimateten, erstreckt sich also von 824 bzw. 827 bis 961. Interessant hier ist vor allem, dass sich die Entstehung des Emirats stark von der auf Sizilien oder Malta unterschied, denn die Insel wurde im Grunde von muslimischen Auswanderern eingenommen.
Bei diesen Auswanderern handelte es sich genau genommen um Flüchtlinge bzw. Überlebende einer Revolution auf der iberischen Halbinsel im heutigen Spanien, nämlich in Cordoba und damit in Andalusien, im Jahr 818. Was sich genau dort zutrug, wird in unserem exklusiven DII Kurs besprochen, doch fürs erste können wir festhalten, dass ein dortiger Aufstand niedergestreckt und die Aufständischen von dort vertrieben wurden. Unter der Führung von Abu Hafs erreichten sie zunächst auf ihrer Flucht das marokkanische Fez, wo manche von ihnen sich niederließen, aber etwa 10 000 Mann mit Abu Hafs nach Alexandria, Ägypten weiterzogen. Auch hier weichen die Quellen voneinander ab, doch fest steht, dass sie dort zwischen 1 und 4 Jahren verbrachten.
Ein Blick auf die Karte verrät, dass Ägypten und Kreta (damals gab es ja noch kein Griechenland im heutigen Sinne) nicht weit voneinander entfernt liegen, so dass es im wahren Sinne des Wortes nahe lag, weiter nach Kreta zu ziehen. Sie kamen also im 9. Jahrhundert von Alexandria nach Kreta und blieben dort 140 bzw. 150 Jahre, bis 961.
Heutige Griechen, falls sie überhaupt mit dieser Zeitperiode vertraut sind, sprechen von einem „muslimischen Piratennest“. Ihrer Auffassung nach waren quasi einfach irgendwelche muslimischen Dahergelaufene auf die Insel gekommen und haben sie wie Piraten besetzt – und das war’s. Diese Interpretation des Ganzen ist allerdings allein schon deshalb nicht schlüssig, da sich die Frage stellt:
Wie könnte ein „Piratennest“ ganze 140 bzw. 150 Jahre lang fortbestehen?
Vielleicht hatte das ja etwas mit der intakten Ökonomie zutun, die dort herrschte, was nicht zuletzt ein weiteres Indiz dafür wäre, dass „Piratennest“ nun wirklich keine treffende Beschreibung ist. Die Muslime auf Kreta hatten ein Münzsystem eingeführt, sowie es im Grunde jeder islamische Staat zu tun pflegte, und sie machten aus Kreta ein Emirat, das erstmal von Abu Hafs – wir erinnern uns, dem Anführer der Flüchtenden – als Emir regiert wurde.
Von Kreta aus öffneten sie sogar weitere Inseln für den Islam, über Kykladen, eine Insel im Norden Kretas, bis hin zu der Insel Dia, die nicht weit weg von Athen liegt. Athen selbst wurde ebenfalls angegriffen, samt weiteren Städten, die heutzutage zu Griechenland zählen.
Das Emirat von Kreta war also durchaus ein vollfunktionierender Staat, das knapp 1.5 Jahrhundert (140 Jahre) fortbestand. Es gab wie gesagt ein funktionierendes Wirtschaftssystem mit Import und Export. Es gab Handel, wie z. B. Sklaven- und Weinhandel.
Das Emirat von Kreta bekam zudem auch Unterstützung von anderen damaligen Dynastien wie z. B. den Tuluniden in Ägypten, und auch von diversen anderen Muslimen im Sham-Gebiet, so z. B. Syrien. In der Zeit, in der die Muslime von Andalusien nach Kreta flohen, war die damals vorherrschende Dynastie die der sunnitischen Abassiden in Baghdad im 9 Jahrhundert. Diese Dynastie war ziemlich stark und wurde auch von Abu Hafs auf Kreta anerkannt, d. h. die Muslime auf Kreta haben sich zwar als unabhängiges Emirat gesehen, aber sie gestanden dennoch den Abassiden die „Oberhand“ zu und pflegten eine gute Zusammenarbeit. Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, dass sie einen gemeinsamen Feind hatten, nämlich die Umayyaden, deren Reich sich auf der iberischen Halbinsel, also Andalusien, erstreckte und vor denen ja die muslimischen Aufständischen auf Kreta geflohen waren. Sie einigten sich also quasi mit den Abassiden, die Umayyaden zu bekämpfen.
Heutzutage leben noch einige Muslime auf Kreta, wenn auch nicht viele. Die Muslime, die dort anzutreffen sind, haben jedoch nichts mehr mit den Einheimischen des Emirats auf Kreta zu tun, sondern stammen aus der Zeit danach, aus dem osmanischen Reich. Es sind aber wie gesagt nur sehr wenige, da es 1923 einen sog. „Bevölkerungsaustausch“ gab, bei dem die Türkei und Griechenland als neue Staaten ein Abkommen unterschrieben und Muslime aus Griechenland in die Türkei emigrieren mussten, sowie orthodoxe Griechen aus der Türkei nach Griechenland. Auf Kreta spricht man außerdem Griechisch mit einem kretischen Dialekt, ähnlich wie z. B. auf Sizilien Italienisch mit sizilianischem Dialekt gesprochen wird. Anders als im Sizilianischen existieren aber im kretischen Dialekt nur ein paar wenige arabische Worte, da das Emirat von Sizilien einfach stärker war und sich länger gehalten hatte.
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